Invest in Schaffhausen Logo

Food for Thought

Wir können nicht weiter essen wie bisher. Das Ernährungssystem braucht einen Wandel. Die Schaffhauser Food-Spezialisten Unilever und Pronatec nehmen mit unterschiedlichen Ansätzen eine aktive Rolle in der Neuorientierung ein.

Ein neues Denken im Ernährungssystem

In einer Welt, die von rasantem Wandel und globalen Herausforderungen geprägt ist, wird die Bedeutung unseres Ernährungssystems immer wichtiger. Die schwindenden Ressourcen, der Klimawandel und die steigende Weltbevölkerung erfordern einen tiefgreifenden Wandel in der Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren, konsumieren und verteilen. Unter dem Leitgedanken "Wir können nicht weiter essen wie bisher" wird die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels im Ernährungsbereich immer drängender.

In dieser Hinsicht spielen Food-Spezialisten wie Unilever und Pronatec aus Schaffhausen eine entscheidende Rolle, indem sie innovative Ansätze verfolgen, um das Ernährungssystem neu auszurichten. Ihre unterschiedlichen Herangehensweisen spiegeln die Vielfalt der Herausforderungen wider und zeigen, dass ein ganzheitlicher Wandel in der Lebensmittelbranche von entscheidender Bedeutung ist.

«Wir wollen wirtschaftlich, gesellschaftlich wie auch ökologisch nachhaltig unterwegs sein.»

Bernhard Schober, Geschäftsführer, Unilever Schweiz

«Das Ernährungssystem ist in Schieflage geraten», erklärt Geschäftsführer von Unilever Schweiz, Bernhard Schober, zu Beginn des Gesprächs. Rund ein Viertel der Treibhausgase weltweit stammen aus der Nahrungsmittelproduktion, der Wasserverbrauch für den Anbau und die Verarbeitung ist oft sehr hoch und ein Drittel der Nahrungsmittel landet als «Food Waste» im Abfall. Gleichzeitig leidet ein Teil der Weltbevölkerung an Unterernährung, während das Übergewicht an anderen Orten zu steigenden Gesundheitskosten beiträgt. Und dazu kommen immer mehr klimatische Veränderungen, welche die Ernten beeinflussen. Nahrungsmittelproduzenten wie Unilever oder Pronatec sind sich heute bewusst, dass sie in diesem Ernährungssystem eine Verantwortung tragen und wollen sich aktiv für eine Verbesserung der Situation einbringen.

Lösungsansätze sind nachhaltige Lieferketten, biologische Produktionen, pflanzenbasierte Produkte oder gesündere Nahrungsmittel dank weniger Salz- oder Zuckergehalt oder einem höheren Ballaststoffanteil. «Hier muss jedes Unternehmen einen Weg finden, wie die Herausforderungen der Produktion, der Verarbeitung und der Verzehr nachhaltiger werden kann. Unilever hat sich offiziell zur Nachhaltigkeit bekannt», schliesst Schober. Und mit dem Produktionsstandort in Thayngen ist Unilever auf diesem Weg. Auch der Schaffhauser Verarbeiter von Kakaobohnen – Pronatec – hat sich der Nachhaltigkeit verschrieben.

1/3

aller weltweiter produzierten Lebensmittel gehen verloren oder werden verschwendet.

30%

der weltweiten Treibhausgasemissionen sind mit unserem Nahrungsmittelsystem verbunden.

Unilever Thayngen - von lokal zu Zukunft

Strategie für Nachhaltigkeit

«Als Nahrungsmittelproduzent stehen wir in der Verantwortung gegenüber unseren Konsumentinnen und Konsumenten sowie der Umwelt. Und diese Verantwortung fliesst in unsere Standortentwicklung mit ein», erklärt Bernhard Schober. Seit März 2023 ist er Geschäftsführer von Unilever Schweiz mit rund 300 Mitarbeitenden. Dazu gehört neben der Unternehmenszentrale in Schaffhausen auch der Produktionsbetrieb in Thayngen. Die ehemalige ‹Knorri› ist als Produktionsbetrieb nach wie vor das Herz von Unilever Schweiz. Hier wurden die Beutelsuppen erfunden, hier werden Bouillons und Stocki produziert und seit 70 Jahren das Aromat. Bis vor zehn Jahren war die Produktion auf den Schweizer und den Europäischen Markt ausgerichtet. «Diese Strategie haben wir in den letzten Jahren angepasst», erklärt Daniel Lötscher, der seit einem Jahr als Werksleiter in Thayngen ist. «Heute ist unsere Produktion primär auf den Schweizer Markt ausgerichtet.» Damit hat Unilever auch die Weichen für die Zukunft gestellt, ist er überzeugt.

«Wir wollen mit unserer Produktion wirtschaftlich, gesellschaftlich wie auch ökologisch nachhaltig unterwegs sein», erklärt Bernhard Schober die Neupositionierung. Mit dem ‹local for local›-Konzept verfolgt Unilever darum seit 2019 in Thayngen eine Strategie, mit welcher der Standort langfristig gestärkt wird. ‹local for local› heisst für Unilever mit möglichst vielen Schweizer Rohstoffen in der Schweiz produziert und Produkte, die spezifisch auf diesen Markt ausgerichtet sind. Dazu gehört auch das Schweizerkreuz auf den Verpackungen. «Diese ‹Swissness› bedeutet, dass 80 Prozent unserer Rohstoffe aus der Schweiz kommen. Und unseren Qualitätsansprüchen genügen müssen», ergänzt Daniel Lötscher. Darum pflegt Unilever Kontakte bis hin zu den Produzenten der Westschweizer Kartoffeln, die im Stocki landen.

Mit ‹local for local› verbindet Unilever für den Standort Thayngen auch den regelmässigen Austausch mit den lokalen Behörden und den engen Kontakt mit der Wirtschaftsförderung des Kantons Schaffhausen. «Wenn immer möglich berücksichtigen wir zudem das lokale Gewerbe bei Aufträgen», führt Daniel Lötscher aus. Die Verpflichtung zur Region führt auch dazu, dass sich Unilever bei der Ausbildung engagiert. Schober und Lötscher unterstreichen die Verbundenheit zur Region gleich nochmals: Sie leben mit ihren Familien in der Region.

Die ‹local for local›-Strategie ist Teil der Lebensversicherung für die Produktion – und ist dennoch kein Selbstläufer. Dazu Bernhard Schober abschliessend: «Die ideologische Komponente alleine reicht nicht. Wir müssen mit unserer Anlage die gleichen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen erreichen wie andere Standorte auch. Doch alle Anzeichen sprechen dafür, dass wir dies schaffen.»

«Das Ernährungssystem ist in Schieflage geraten»

Zweiter strategischer Pfeiler: der Swiss Nutrition Manufacturing Hub

Parallel zum ‹local for local›-Ansatz setzen Schober und Lötscher auf einen weiteren strategischen Pfeiler, mit dem Ziel, ein starkes zweites Standbein für den Standort Thayngen zu entwickeln. «Unser Ziel ist es, ein Swiss Nutrition Manufacturing Hub in Thayngen aufzubauen. Hier auf unserem Produktionsgelände bieten wir Unternehmen Raum, die sich mit neuen Essgewohnheiten und Food Trends auseinandersetzen», erklärt Daniel Lötscher die Strategie. Zum einen wird hier Know-how gebündelt und entsteht ein Netzwerk mit Unternehmen gleicher Stossrichtung, zum anderen können die Firmen die bei Unilever freigewordenen Kapazitäten nutzen. Die Anlage in Thayngen bietet Freiflächen für Skalierungsvorhaben sowie eine Produktionsinfrastruktur mit Abfüllanlagen, Dampf, Abwasserentsorgung und so weiter. «In den letzten zwei Jahren haben wir in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung an der Positionierung und Ausrichtung des Swiss Nutrition Manufacturing Hubs gearbeitet», ergänzt Daniel Lötscher.

«Unser Ziel ist es, im Nutrition Hub an den Herausforderungen der Ernährungswirtschaft zu arbeiten. Zusammen mit neu hier tätigen kleineren Food Unternehmen wollen wir Lösungsansätze prüfen, diese weiter skalieren und dazu lernen», so der Werksleiter. Das Angebot des neuen Nutrition Hubs stösst auf Interesse: Erste Firmen sind im Austausch mit Unilever. Mit der ersten Ansiedlung rechnet Lötscher bereits im nächsten Jahr. Denn das Angebot ist sehr interessant: Wo sonst gibt es in dieser Branche einen Ort, an dem ein erfahrener Produzent die Türen zu seinem Know-how öffnet, um gemeinsam mit neuen Produzenten die Zukunft in der Ernährungswirtschaft positiv zu beeinflussen? In Thayngen kann ein Hub mit einem anwendungsorientierten Ökosystem entstehen, aus dem Innovation und Kooperationen wachsen können. Als Chance, für die ganze Region und speziell die Produktion in der Schweiz. Und vor allem auch für die gesundheitsbewussten Konsumentinnen und Konsumenten.

1900

Millionen Erwachsene sind übergewichtig oder fettleibig.

750

Millionen Menschen sind unterernährt.

Pronatec AG - Für nachhaltige Süsse

Auch der Schaffhauser Verarbeiter von Kakaobohnen – Pronatec – hat sich der Nachhaltigkeit verschrieben. Pronatec setzt seit über 45 Jahren auf bio- und fairtrade Produkte und sind damit erfolgreich unterwegs. Seit 2022 mit einer eigenen Produktion in Beringen. Wenn dort von Zeit zu Zeit ein süsser Duft in der Luft liegt ist es das Zeichen, dass bei der weltweit ersten reinen Bio-Kakaofabrik die Produktion auf Hochtouren läuft.

Pronatec steht für biologisch produzierte und fair gehandelte Kakaoprodukte, Zucker, Vanille und Gewürze. CEO David Yersin gehörte mit seinem Familienunternehmen in den frühen 80er Jahren zu den Bio-Pionieren im Zuckerhandel. Den Zucker importierte Pronatec zu Beginn aus Paraguay. Damals war der biologische Anbau noch eine kleine Nische, und die Yersins Trendsetter. Auch die weltweit erste Schokolade, welche sowohl Bio- wie auch Fairtrade-zertifiziert ist – heute unter dem Namen «AMARRÚ» erhältlich – brachte Pronatec zusammen mit einem Schweizer Produzenten in den 90er-Jahren erfolgreich auf den Markt. «Die erste wirklich gute Bio-Schokolade», ergänzt David Yersin schmunzelnd.

Für die Schokolade brauchte es Kakao in bester Qualität, und so begann nach dem Zucker bald auch der Handel mit biologisch angebauten Kakaobohnen und einem weiteren Schritt in der Lieferkette: dem eigenen Tochterunternehmen in der Dominikanischen Republik 1999. So konnte Pronatec in Lateinamerika direkt bei den Kleinbauern vor Ort zu fairen Bedingungen Kakaobohnen einkaufen und in Europa weiterverarbeiten lassen. Fairtrade und hohe Qualität waren für die Familie Yersin schon zu Beginn ein zentraler Erfolgsfaktor. Sowohl die Kakaobohnen als auch der Zucker und die Gewürze sind Bio-zertifiziert, ein Grossteil davon verfügt über ein Fairtrade-Label. Das ist bis heute ein Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens.

«Wir brachten die weltweit erste Schokolade, welche Bio- und Fairtrade zertifizierte ist auf den Markt.»

David Yersin, CEO Pronatec

Vom Handel in die Produktion

Die unternehmerische Freude und das Gespür für neue Marktentwicklungen hat auch dazu geführt, dass Yersin mit seinem Team vor rund vier Jahren einen weiteren Entwicklungsschritt plante: die eigene Verarbeitung der Bohnen zu Kakaomasse, -pulver und -butter. «Wir sahen, dass die Nachfrage nach bio - logisch produzierten Kakaoprodukten immer grösser wurde. Aber kein darauf spezialisierter Anbieter auf dem Markt war», erklärt David Yersin. Aus Gründen der Flexibilität und der Qualität hat sich Pronatec entschieden, selbst eine Produktionsanlage nur für Bio-Kakao zu bauen. Und mit diesem Schritt zum weltweit einzigen ausschliesslichen Bio-Verarbeiter für KakaoHalbfabrikate zu werden.

Auf der Suche nach dem Produktionsstandort kam das Winterthurer Unternehmen nach Schaffhausen: «Hier wurden wir von Beginn an mit unserem Projekt durch die Wirtschaftsförderung begleitet. Hier haben wir nahe an der Grenze eine Produktionshalle gefunden. Sie ist verkehrstechnisch gut erschlossen, in der Nähe von unserem Hauptsitz und nicht zuletzt im Zentrum unseres Hauptabsatzgebietes», erklärt Yersin weiter. Seit Juni 2022 ist die neue Anlage in Betrieb.

«Unsere Pronatec Qualität überzeugt.»

Erfolgreiche Produktion in einer Nische

Mit den Kakao-Halbfabrikaten beliefert Pronatec Kunden aus der Schweiz, Europa und sogar den USA oder Kanada. «Die Nachfrage nach unseren zertifizierten Bio-Produkten ist hoch. Mit unserer Produktion in der Schweiz bieten wir eine sehr hohe Qualität - und sind preislich konkurrenzfähig. Und wir können mit unserem gut eingespielten Team auch auf die Wünsche unserer Kunden eingehen und im Gegensatz zu unserer Konkurrenz auch vergleichsweise kleine Mengen produzieren», erklärt Betriebsleiter Yannick Rihs. Einzigartig an der Bio-Verarbeitung von Pronatec ist, dass gleich alle drei wichtigen Halbfabrikate Kakaomasse, Kakaobutter und Kakaopulver in derselben Fabrik produziert werden können. Diese wiederum sind Ausgangsprodukte für die Herstellung von Lebensmitteln wie Schokolade oder Kakaogetränken sowie Kosmetika. Mit der eigenen Anlage sind alle Prozessschritte von der Beschaffung der Kakaobohnen bei den Kleinbauern über Fermentation und Export bis hin zu Verarbeitung und Verkauf in der Hand von Pronatec. Damit ist die Wertschöpfungskette für die Firma vollständig rückverfolgbar und bürgt noch stärker für das Versprechen von Fairtrade und Bio-Qualität. Und als Nebeneffekt kann Pronatec passend zur Firmenphilosphie den Food-Waste aus der Verarbeitung der Kakaobohnen tief halten. Dank dem, dass die Nebenprodukte weiterverkauft werden können - und als Zusatz in Tees, Futtermittel oder Biogas einen zusätzlichen Einsatz haben.

«Die Nachfrage nach unseren Bio-Halbfabrikaten ist sehr hoch. Darum planen wir bereits eine Ausweitung der Produktion. Mit weiteren Optimierungen von Prozessen und Ausbau der Infrastruktur», bilanziert Yersin. Doch trotz dem erfolgreichen Start bleiben die Unsicherheiten aus dem Umfeld: Wetterbedingte Ernteausfälle oder Qualitätseinbussen der Bohnen, Energiepreise, Lieferverzögerung durch die langen Transportwege und schlussendlich Währungsschwankungenes sind viele Variablen für einen erfolgreichen und guten Betrieb verantwortlich. «Wir versuchen die Unsicherheitsfaktoren so gut wie möglich zu optimieren: durch eigene Lager, kurze Wege und die enge Zusammenarbeit mit Kleinbauernorganisationen, welchen wir die gesamte Kakaoernte abnehmen. Und natürlich auch durch die kontrollierte Entwicklung unserer Produktion», erklärt Yersin.

«Die Nahrungsmittelverarbeitung ist anspruchsvoll, da wir auch international mit unseren Kunden tätig sind. Schlussendlich braucht es auch noch den Konsumenten, der bereit ist für Bio-Produkte und zertifizierte Nachhaltigkeit mehr zu bezahlen.» David Yersin ist zuversichtlich: «Unsere Pronatec Qualität überzeugt. Und für unser Bio-Produkt setzen wir uns auch in Zukunft ein.»

Produktionsstandort Schaffhausen

«Hier wurden wir von Beginn an mit unserem Projekt durch die Wirtschaftsförderung begleitet. Hier haben wir nahe an der Grenze eine Produktionshalle gefunden. Sie ist verkehrstechnisch gut erschlossen, in der Nähe von unserem Hauptsitz und nicht zuletzt im Zentrum unseres Hauptabsatzgebietes», Yersin.

There is more

von Gina Ochsner 18. Dezember 2024
12'000 m2 Infrastruktur stehen im neuen Food Hub der Unilever Schweiz in Thayngen für neue Unternehmen bereit – an zentraler Lage, kombiniert mit viel Expertise in der Nahrungsmittelproduktion. Eine Chance für die Entwicklung der Food-Tech-Kompetenz in der ganzen Region.
von Gina Ochsner 9. Dezember 2024
Kann künstliche Intelligenz die Fairness im Gesundheitswesen verbessern? Eine bahnbrechende Entwicklung aus Stein am Rhein will genau das ermöglichen.
von Gina Ochsner 9. Dezember 2024
Rund 1,5 Millionen Menschen besuchen jedes Jahr den Rheinfall. Jeder fünfte von ihnen wird wegen Gefässerkrankungen auf die Entwicklungen der CTI Vascular AG angewiesen sein. Denn der lokale Medtech-Inkubator schafft mit seinem Gefässinstrumenten neue Lebensqualität.

Wirtschaftsmagazin abonnieren

Bleibe dran an den Entwicklungen in der Schaffhauser Wirtschaft und lass dir das Wirtschaftsmagazin 4x pro Jahr direkt zu dir nach Hause zustellen!

Du hast ein spannendes Thema aus der Schaffhauser Wirtschaft? Wir freuen uns auf deine Story!

Petra Roost

Dein persönlicher Kontakt

Share by: